By Die Welt & Doug Bereuter
Der Irak-Krieg hat für beispiellose Spannungen in der Beziehung zwischen Amerika und Europa gesorgt.Seit beinahe 60 Jahren war die atlantische Partnerschaft eine Kraft zum Guten,und zwar nicht nur für Europa und Nordamerika, sondern auch für denRest der Welt. Sind diese Beziehungen wieder zu kitten?
Die Beziehungen haben sich in Besorgnis erregender Geschwindigkeit aufgelöst. In der Zeit nach dem 11. September 2001 las man in französischen Zeitungen Schlagzeilen wie: “Wir sind alle Amerikaner.” Es schien anfänglich so, als hätten wir uns unserer grundsätzlich gemeinsamen Perspektive und unserer viel gerühmten gemeinsamen Werte wieder vergewissert.
Binnen einen Jahres sah alles ganz anders aus. Deutschlands Kanzler gewann die Wiederwahl mit einem scheinbar antiamerikanischen Wahlprogramm. Wenn auch einige dieser Gefühle falsch dargestellt wurden, so war doch klar, dass Deutschland Kampfhandlungen im Irak nicht unterstützen werde. Viele Deutsche sind nicht nur im Hinblick auf den Irak, sondern hinsichtlich des Kriegs im Allgemeinen in sich zerrissen. Viele glauben, Deutschlands Haltung spiegele eher pazifistische als antiamerikanische Gefühle wider. Das kann sein. Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Es entsandte Friedenstruppen nach Somalia, Bosnien, Osttimor, in das Kosovo, in den Kaukasus, nach Mazedonien und als Reaktion auf den 11. September auch nach Afghanistan. Aber keine dieser Truppen hat Krieg geführt.
Es gibt Uneinigkeiten hinsichtlich der Verteidigungspolitik. Sie sorgen für eine wachsende Gereiztheit in den USA über die so genannte europäische Verteidigungsinitiative. Die USA beobachten schrumpfende europäische Verteidigungshaushalte in Verbindung mit einer neuen und unnötigen Befehlsstruktur, die die der Nato lediglich verdoppelt. Auch die kulturellen Differenzen werden immer deutlicher. Viele Europäer halten die Anwendung der Todesstrafe in den USA für rückwärts gerichtet und widerlich. Viele Amerikaner führen Europas Mangel an totalem Engagement beim Antiterrorismus auf latenten Antisemitismus zurück.
Da Europa militärisch bedeutungslos ist, überrascht es nicht, dass Europäer stärker auf Diplomatie als auf militärische Gewalt setzen, um Streitigkeiten zu lösen. Andererseits sollte niemand überrascht sein, dass die Amerikaner sich daran stoßen, wenn man ihre Möglichkeit beschneiden will, aus ihrer militärischen Hegemonie Vorteile zu ziehen.
In Wahrheit haben die transatlantischen Gegensätze schon seit langem bestanden. Während des Kalten Krieges wurden sie vor allem durch die sowjetische Bedrohung und das Eingeständnis der Europäer unterdrückt, auf die USA angewiesen zu sein, um der Bedrohung zu begegnen. Tatsächlich ist es verwunderlich, dass die Partnerschaft nicht schon früher nach dem Ende des Kalten Krieges mehr Spannungen aufwies. Diese Spannungen werden nicht dadurch überwunden, dass man sie leugnet. Auch wenn die USA und Europa noch Fragen zu lösen haben, besteht die eigentliche Gefahr darin, dass dann, wenn man jedes mögliche Ereignis als Ankündigung einer neuen Spaltung darstellt, sich diese daraus dann auch ergibt. Es steht zu viel auf dem Spiel, um das weiterhin zuzulassen.
Europa und Nordamerika haben im Grundsatz weiterhin eine gemeinsame Perspektive. Wenn beide zusammenarbeiten, lassen sich mehr Fortschritte in der Handhabung der Weltprobleme erzielen, als wenn sie jede Gelegenheit nutzen, um daraus Vorteile für sich zu ziehen. Wenn sich dagegen die atlantische Partnerschaft in Feindseligkeit auflöst, wird die Welt noch gefährlicher werden.
Was ist zu tun? Die Partnerschaft kann erhalten bleiben, wenn die Entscheidungsträger beiderseits des Atlantiks ständig die Auswirkungen ihrer Entscheidungen berücksichtigen.
Ein besonderer Vorschlag sagt, dass die Regierungen beiderseits des Atlantiks eine “ständige Konferenz” einrichten, um mögliche Probleme auszumachen, bevor daraus Schwierigkeiten erwachsen. Früh gewarnt heißt früh gerüstet, und rechtzeitige Maßnahmen könnten Probleme zerstäuben, die später unlösbar werden würden.
Im neuen, unruhigen Jahrhundert ist die Beziehung zwischen Europa und Amerika wichtiger als je zuvor. Jede Anstrengung muss unternommen werden, um sicherzustellen, dass künftige Zerwürfnisse weniger Schaden anrichten. Es steht zu viel auf dem Spiel, um zuzulassen, dass die atlantische Partnerschaft scheitert.
http://www.welt.de/data/2003/06/02/105806.html?s=1